Aufholjagd in der E-Mobilität - Rheinpfalz
Im Herbst wird ein Teil der Opel-Hallen abgerissen, 2025 sollen auf der Fläche bereits die ersten Produkte entstehen: So lautet der Plan des Batteriezellherstellers ACC (Automotive Cells Company). Ziel ist es, Europa in der E-Mobilität von Asien unabhängig zu machen.
VON GUNDULA ZILM https://www.rheinpfalz.de/
Wer beim Begriff Start-up an junge Computer-Nerds im Kinderzimmer oder der elterlichen Garage denkt, der bekommt bei ACC ein anderes Bild. Die Mitarbeiterzahl – ganze elf – mag sich noch ins Klischee fügen, ebenso wie die gebrauchten Stühle oder Improvisation beim fehlenden Wasserglas. Doch alle weiteren Zahlen machen deutlich, dass in Kaiserslautern etwas ganz Großes entsteht: Ein Investitionsvolumen von sieben Milliarden Euro habe ACC insgesamt, allein das deutsche Werk bekomme 436 Millionen Euro Förderung von Bund und Land und soll 2030 rund 2000 Arbeitsplätze bieten, erläutert Peter Winternheimer, der als Vice President den deutschen Standort aufbaut und leitet. Nach über 26 Jahren in Diensten von Opel, davon fast elf Jahre als Leiter des Lauterer Werks, dann im Mutterkonzern Stellantis, ergriff er „die Chance, hautnah an der Transformation der Automobilindustrie mitzuwirken – die bekommt man nur einmal im Leben“, ist er überzeugt. Kaiserslautern werde mit der Herstellung von Autobatteriezellen ein Zentrum für E-Mobiität in Europa, „und wir werden nicht so viel produzieren können, wie die Nachfrage verlangen wird“.
Noch haben die „Gründer“ nur einen Korridor bei Opel angemietet, doch bis 2030 sollen an dieser Stelle drei Produktionsblöcke stehen, von denen allein die ersten zwei mit den Ausmaßen von zusammen 650 mal 200 Metern zu umrunden „schon eine kleine Joggingrunde sind“, beschreibt es Peter Hamel, zuständig für die Kommunikation bei ACC.
Abhängig von China
Begonnen hat die Geschichte von ACC im August 2021 mit einem Kompetenzzentrum in Bordeaux, seit diesem März läuft eine Testfabrik im nördlich davon gelegenen Angoulême. „Derzeit kommen 85 Prozent aller Autobatterien aus Asien.“ Um sich von dieser Abhängigkeit zu befreien, will ACC eine Batteriezellfertigung in Europa aufbauen. Das erste Werk soll im nächsten Jahr in Nordfrankreich in Betrieb gehen, das zweite 2025 in Kaiserslautern, das dritte 2026 in Mittelitalien.
Für diesen Schritt benötigt ACC jedoch erstmal die Hilfe aus China und Südkorea, denn dort werden die Maschinen zur Batteriezellfertigung gebaut. „Wir haben keine Option, es gibt keine europäischen oder deutschen Lieferanten“, sagt Winternheimer – ohne auszusprechen, dass Deutschland die Entwicklung der E-Mobilität verschlafen hat. Und er schiebt auf Nachfrage hinterher: „Noch müssen wir wegen der aktuellen Entwicklung unsere Geschäftsbeziehungen nicht überdenken.“ Mit den Maschinen sollen dann die Batteriezellen für den hiesigen Bedarf gefertigt werden. Dass Stellantis und Mercedes Abnehmer sein werden, liegt auf der Hand, denn sie sind, zusammen mit der TotalEnergies-Tochter Saft – einem Batteriehersteller –, zu je einem Drittel Anteilseigner von ACC. „Stellantis selbst fehlt die Expertise für die Batteriefertigung“, begründet Winternheimer, warum der Konzern dies nicht selbst übernimmt. „Automobilherstellung ist Metallindustrie, Batterieherstellung chemische Industrie.“
Selbst wolle ACC keine Produktionsmaschinen bauen, Ziel sei vielmehr ein europäischer Lieferantenpool. „Der wird sich bei dem gerade extrem wachsenden Markt an Batterieherstellern in Europa entwickeln“, sagt Hamel.
Batterien für 500.000 Autos
Ab Oktober oder November wird in Kaiserslautern die erste, bereits leere Opel-Halle abgerissen, im April oder Mai beginnt der Bau des ersten ACC-Blocks. „Ab Ende 2025 werden wir eine Produktionskapazität von 13,4 Gigawattstunden jährlich haben“, pro- gnostiziert Winternheimer. Direkt an den ersten wird der zweite langgezogene Produktionsblock gebaut.
Mit dem dritten Block auf der 41 Hektar großen Fläche will ACC bis 2030 eine Produktionskapazität „von 40 Gigawattstunden erreichen, damit kann man rund 500.000 bis 800.000 Fahrzeuge mit Batterien ausstatten“. Doch die Hallen und Maschinen allein bauen keine Batteriezellen. „Mit rund 650 Arbeitsplätzen werden wir in die Produktion starten“, ein Teil werde von Stellantis übernommen, im Jahr 2030 sollen es rund 2000 sein. Dafür werde „hoch quali ziertes Personal gebraucht, Facharbeiter“, kündigt Winternheimer an. Die Akquise von Ingenieuren für Planung und Entwicklung laufe schon. Die Fertigung der Batteriezellen, die rund um die Uhr laufen soll, „sieht zwar nicht aus wie Raketentechnologie“, gibt der Chef mit einem solchen Exemplar in der Hand zu, aber erfordere eine absolut reine und trockene Umgebung. Die vielen Kupfer- und Aluminiumfolien werden maschinell aufeinander geschichtet und mit Trennfolien unterlegt; gerate ein Staubkörnchen dazwischen, könne es die Trennfolie zerreiben und einen Kurzschluss verursachen. „Die Mitarbeiter in den Trockenreinräumen mit einer Luftfeuchtigkeit von maximal einem Prozent müssen deswegen mit Ganzkörperanzug arbeiten.“ Wie sie zum Trinken und zu ihren Pausen kommen, ohne zu viel Zeit zum Umkleiden zu verlieren, „dazu erarbeiten wir gerade Modelle“.